„Der Vorleser“ von Bernhard Schlink ist ein sehr erfolgreicher Roman, der in 39 Sprachen erschienen ist. Als das Buch 1995 auf den Markt kam, wurde ihm noch keine große Erfolgschance zugeschrieben. Nichtsdestotrotz entwickelte er sich zu einem der besten deutschen Romane.
Zumal war es das erste deutsche Buch, das es auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times schaffte.
Inhaltliche Themen:
Dieser außergewöhnliche Roman beleuchtet eine reiche Palette an inhaltlichen Aspekten. Einerseits Themen wie Erwachsenwerden und erste Liebe, andererseits die Aufarbeitung der deutschen nationalsozialistischen Vergangenheit. Etwa der Umgang des persönlichen Versagens in Bezug auf die Geschehnisse in dieser Zeit. Diese Fragen werden allerdings aus der Sicht der nächsten Generation gestellt, die diese Zeit nie erlebt habt.
Darüber hinaus wird in dem Roman auch das Problem des Analphabetismus angesprochen. Einem wird klar wie wichtig es eigentlich ist Lesen und Schreiben zu können.
Der Roman erzählt die Geschichte einer Täterin, einer Frau, die als Aufseherin in einem KZ tief in das Verbrechen der Nationalsozialisten verwickelt war. Dennoch wird nicht aus dem Leben einer Bestie erzählt, sondern - und das ist die Besonderheit dieses Buches - aus dem Leben eines Menschen. Es geht darum, dass jemand seine eigene Schuld akzeptiert und versucht, ihr in seinem Leben gerecht zu werden.
Das ist genau das, nach was man in den wirklichen Täterbiographien von NS-Tätern bislang immer vergebens gesucht hat, die Geschichte eines einsichtigen, seine Schuld bekennenden Nazis.
Zitat:
In der Begründung der Jury zur Verleihung des Welt-Literaturpreises heißt es, dass „in literarisch geschliffener und gleichwohl unterhaltendender Form Fragen an die deutsche Geschichte formuliert werden, die von hoher geistiger Unabhängigkeit und menschlicher Verständnisbereitschaft zeugen sowie mit großer erzählerischer Kraft umgesetzt wurden“
Schauplätze
Teil I
Es wird kein bestimmter Ort genannt, jedoch kann man durch Erwähnung topografischer Details (z.B. Heiligenberg, Philosophenweg, Neuenheimer Feld usw.) auf die im Rhein-Neckar-Raum gelegene Stadt Heidelberg (--> Geburtsort von dem Autor Bernhard Schlink) schließen.
Teil II
Im zweiten Teil erfährt man nur, dass sich die Gerichtsverhandlung „in einer anderen Stadt, mit dem Auto eine knappe Stunde entfernt“ abspielt. Vermutlich spielt der Roman hier auf die Frankfurter Auschwitzprozesse an.
Formale Aspekte:
Der Roman ist in 3 Teile gegliedert, die jeweils einem Lebensabschnitt des Ich-Erzählers Michael entsprechen. Jeder Teil ist eigenständig und abgeschlossen. Im Groben folgen alle der chronologischen Reihenfolge.
Die Geschichte wird durch den Ich-Erzähler aus der Sicht des „erinnernden Ichs“ also personal erzählt. Als Leser erfährt man dabei nur vom Innenleben Michaels; über Hannas Gefühle muss man spekulieren. Teilweise vergegenwärtigt sich der Protagonist das Geschehen so sehr, dass das erzählende und das erlebende Ich zusammenfallen. Dadurch, dass Michael die Situation so schildert, wie er sie selbst in diesem Moment erlebt, wird eine sehr persönliche Beziehung zwischen dem Leser und Michael aufgebaut.
Sprachliche Aspekte:
Die Sprache desRomans wirkt auf den ersten Blick eher unauffällig und schlicht, ist aber durchgängig verständlich. Der Autor zeichnet sich durch einen sehr präzisen und exakten Schreibstil aus. Er achtet bei seinen Schilderungen auf detailgenaue Anschaulichkeit ohne den Leser dabei zu langweilen. Zugleich benutzt Schlink viele durchgehenden Bilder und Motive, etwa bei der Beschreibung des Baderituals.
Des Weiteren herrschen überwiegend parataktische Sätze vor.
Ein auffallendes Stilmittel sind Kapitelöffnungen, die in einem einfachen Satz wichtige oder überraschende Informationen vermitteln bzw. der Handlung eine Wende geben.